Nachts rollen ihre Wagen durch die Straßen: geduckt wie sprungbereite Pitbulls, breit wie Tieflader, geschmiedet aus mattschwarzem Stealth-Metall, auf den Felgen gezackte Hellebarden, auf den Kühlergrills die eingeschlagenen Schädel von Ungläubigen. Hinter den dunklen Scheiben starren ihre roten Augen in die Nacht, auf den Ladeflächen hinter ihnen lungern die mächtigen Soundsysteme, mit denen sie ihre Riten zelebrieren. Schon von weitem hört man sie kommen. Sam Shackleton und Laurie „Applebim“ Osborne sind zwei mutmaßlich junge Männer, die aus dem jungmännerüblichen Gemisch aus Gras, Bässen, Science Fiction, Unverfrorenheit, wirren politischen Ideen und der Freude am Weltuntergang diese Sekte erschaffen haben, die jetzt eine ganz neue Art von Ekstase auf den Partys nach den Partys verbreitet. Ihre Ahnen verehren sie mit kleinen Schreinen auf ihren Wagen: Skiz Fernando Jnr., The Ill Saint, der in den feuchten Kellern Brooklyns den Wordsound-Illbient erschaffen hat, Muslimgauze und seinen arabesken Industrial, außerdem Nico, Ed Rush, Optical und die röhrenden Ravesignale von No U-Turn, dazu etliche UK-Hardcore-Veteranen sowie natürlich ungezählte namenlose Scheitane und Derwische, die die Trommeln des Nahen Ostens, Darabukas, Bendirs, Mazhars, bis zum körperlichen Kollaps schlagen können. Mit dieser Mixtur im Kopf und diesem Ahnenstammbaum im Rücken sind Shackleton und Applebim angetreten, um Dubstep noch ein bisschen komplexer, noch ein bisschen perkussiver, noch ein bisschen offener zu gestalten. Und sie haben damit in den vergangenen Monaten auf ihrem Label Skull Disco eine Musik erschaffen, die von den Londoner Dubstep-Partys aus lange, minimalistische Perkussions-Perlenketten rüber zur zu den Afterhour-Partys in Kontinentaleuropa flechtet, um dort die Entrückten mit vorbeihuschenden Breakfetzen und Stimmen zu verwirren. Man muss Ricardo Villalobos anrechnen, dass er diese Verbindungsmöglichkeit sofort erkannt hat. Schon früh baute er Shackletons „Blood On My Hands“ in seine Sets ein und setzte kürzlich noch einen epischen Remix von 18 Minuten Länge oben drauf, der das Stück mit geraden Bassdrums auch weniger wagnisreichen Techno-DJs zugänglich machte. Als Revanche soll wohl demnächst Material Shackleton und Applebim auf Perlon erscheinen (siehe GROOVE #106). So nähern sich über diese Brücke vielleicht zwei Richtungen elektronischer Tanzmusik wieder etwas aneinander an, die viel zu lange getrennt waren. Das alles und noch einiges mehr lässt sich in der entmenschlichten, abgründigen und doch zutiefst euphorischen Musik auf dieser Doppel-CD nachhören, die die Tracks aller fünf bislang erschienen Skull Disco-Releases mit unveröffentlichtem Material kombiniert. Danach springt man ganz freiwillig auf einen dieser Wagen auf, die jetzt des Nachts immer häufiger durch unsere Straßen fahren.